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Ketogene Diäten und Bodybuilding

 

Ketogene Diäten und Bodybuilding

Von Wilfried Dubbels

 

Die ketogene Diät ist eine Form der Low Carb Diät. Sie zeichnet sich durch eine extrem kohlenhydratarme und dafür sehr fettreiche Ernährungsweise aus. Durch den Kohlenhydratmangel verändert sich der Stoffwechsel und gerät in die sogenannte "Ketose". Ketogene Diäten wurden ursprünglich aus medizinischen Gründen unter ärztlicher Aufsicht u.a. bei Epilepsie und Alzheimer durchgeführt, inzwischen aber auch vermehrt zum Abbau von Übergewicht.

Die grundlegende Idee hinter der ketogenen Diät ist es, den Körper dazu zu bringen, Fette anstatt Kohlenhydrate oder Proteine zu verbrennen. Die übermäßige Fettsäureoxidation in der Leber aktiviert Stoffwechselwege zur Verbrennung von Fetten und führt zur Umwandlung von angehäuften Fettsäureoxidationszwischenprodukten in die Ketonkörper Acetoacetat, Aceton und 3-Hydroxybutyrat, von denen angenommen wird, dass sie appetitzügelnde Eigenschaften besitzen. Das soll neben der Insulinrezeptorsensibilisierung den Gewichtsverlust erleichtern.

Inzwischen wurde jedoch widerlegt, dass ketogene Diäten bevorzugt Körperfett verbrennen. Ganz im Gegenteil: ein relativ hoher Prozentsatz dieses verlorenen Körpergewichts ist gesunde Muskelmasse! Grund dafür ist, dass ketogene Diäten die mTOR-Aktivität hemmen und damit zu einem Verlust von Muskelmasse führen. Der vermeintliche Vorteil ketogener Diäten: Studien deuten darauf hin, dass ketogene Diäten bestimmte Krebsarten in hohem Maße abschwächen könnten, indem sie mTOR Signalwege hemmen.

Dies liegt daran, dass mTOR u.a. bestimmte zelluläre Prozesse beeinflussen kann, die auch das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen fördern. Krebszellen sind auf Glukose angewiesen, und die mTOR-Hemmung durch ketogene Diäten reduziert die Produktion mehrerer Enzyme, die an der Umwandlung von Glukose in Energie beteiligt sind - was die Energieversorgung und damit die Lebensfähigkeit der Krebszelle senkt. Der Mangel an Kohlenhydraten während der ketogenen Diät lässt die Zellen „aushungern“. Die Verfügbarkeit von Glucose in der Krebszelle ist damit unmittelbar abhängig von der mTOR-Funktion. Eine Studie hatte gezeigt, dass eine ketogene Diät das Krebswachstum verringern könnte und eine andere Studie, die sich mit mehreren Krebspatienten befasste, die einen Monat lang eine ketogene Diät einnahmen, zeigte, dass Patienten mit den höchsten Ketonspiegeln die stärkste Hemmung aufwiesen und sich am schnellsten wieder erholten. Neuere Studien widerlegten jedoch diese Annahme! 

Davon abgesehen würden damit nicht nur die Krebszellen ausgehungert, sondern auch die gesunden Muskelzellen. Noch schlimmer: die anabole Hormonaktivität  von Insulin und IGF-1wird lahmgelegt! Der beste ernährungsphysiologische Ansatz für mehr Muskelmasse ist jedoch die Stimulierung des mTOR Signalpfads über die Hormone Insulin und IGF-1. Das wird mit Kohlenhydraten und Proteinen erreicht. Dieser Pfad ist es, der die Muskelproteinsynthese direkt erhöht und gleichzeitig den Muskelproteinabbau reduziert.

Wenn der Blutzuckerspiegel steigt, wird Insulin freigesetzt. Dadurch wird der Zucker für den Energieverbrauch in die Muskelzelle geschleust, der Überschuss wird als Glykogen gespeichert. Es ist erwiesen, dass Insulin einer der potentesten Aktivatoren von mTOR ist. Daher verringert eine kohlenhydratarme Diät die Insulin-Signalweiterleitung - und verringert damit auch die mTOR-Funktion. In einer Studie von McDaniel et al. wurde der Einfluss ketogener Diäten auf den Insulin/mTOR Signalweg untersucht. In dieser Studie zeigten die Autoren, dass extrem kohlenhydratarme ketogene Diäten die Insulinwirkung signifikant verringerten und dieser Mangel an Insulinsignalen auch die mTOR Aktivität, und damit die Muskelproteinsynthese, verringerte.

Neben dem Insulin spielt auch das Wachstumshormon eine wesentliche Rolle bei der mTOR-Signalweiterleitung. Eine ketogene Diät, die relativ wenig Protein liefert, kann den Wachstumshormonspiegel senken, was einen weiteren Grund für den Muskelmasseverlust darstellt. Ein Zusammenhang zwischen der Sekretion von Wachstumshormon und des hohen Fettverzehrs während ketogener Diäten untersuchten Bielohuby et al. Sie bestätigten, dass wegen des hohen Aufkommens freier Fettsäuren die Menge an Wachstumshormon-Rezeptoren in der Leber herunter reguliert und damit deren Ansprechbarkeit herabgesetzt wurde. Die Unempfindlichkeit der Leber gegenüber Wachstumshormon verursacht einen Mangel an IGF-1, was wiederum die IGF-1-Aktivierung von mTOR (IGF-1/mTOR Signalweg) verringert und damit auch das Muskelwachstum. Wenn während einer modifizierten ketogenen Diät (Anabole Diät) aber zusätzlich viel Protein genommen wird, wird dieser negative Effekt abgeschwächt.

Genauso wie Kohlenhydrate und Eiweiss die mTOR Aktivität und die Muskelproteinsynthese stimulieren können, können Fette die mTOR Aktivität und die Proteinsynthese unter bestimmten Bedingungen hemmen. Eine Studie von Rivas et al. bestätigte, dass ein extrem hoher Fettverzehr Insulinresistenz begünstigen kann und die m-TOR Aktivität verringert. Der chronische Verzehr von größeren Fettmengen erhöht anfangs zwar die mTOR Aktivität, überaktiviert danach aber den Signalpfad. Durch negative feed back Mechanismen wird im Gegenzug das Molekül S6K (Ribosomal Protein S6 Kinase) gebildet. Das S6K Molekül produziert Signale, die die Insulinsignalkaskade ausbremsen und damit Insulinresistenz begünstigen. Durch Störung des Signalpfads wird die mTOR Aktivität verringert und folglich auch die Proteinbiosynthese!

Diese Studien und die Praxis lassen die Schlussfolgerung zu: So überzeugend ketogene Diäten auch im Kampf gegen einige Erkrankungen sein mögen - für die Ernährung im Leistungssport und für den Aufbau definierter Muskelmasse sind sie nicht geeignet, da sie die Aktivität von anabolen Hormonen wie Insulin, IGF1 und HGH massiv beeinflussen. Daher ist es besser, auch wenn man Fett verbrennen möchte, nicht radikal auf Kohlenhydrate zu verzichten. Es reicht völlig, die Kohlenhydratzufuhr während einer Diät auf ca.100g pro Tag zu reduzieren und trainingsnah zu nehmen. Hart trainierende Athleten kommen je nach Trainingsintensität und Körpergewicht sogar mit noch mehr Kohlenhydraten klar. Auf diese Weise wird auch ein Absinken des T3-Spiegels und des Testosterons verhindert und der Cortisolanstieg wird in Grenzen gehalten.  Mehr dazu in meinem Buch "Gesund, fit und schlank ein Leben lang".


 

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Wilfried Dubbels

 

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